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Jodtabletten Teil 2: Die Kampagne, die eine sein will*

20 Nov 14
Stefan Füglister

Politically incorrect? Politically correct? Correct incorrect? Die Gegenkampagne von Greenpeace liefert Diskussionsstoff. Sowohl politmoralischer wie kampagnentechnischer Art.

Darf man das? Mit einem Millionenversand ergänzte Greenpeace die defizitäre Information der Bundesbehörden zu den zu ergreifenden Massnahmen bei einem Atomunfall. Und das in deren eigenen Namen – also eine Täuschung. Das ist sicher nicht ganz unproblematisch und entsprechend fielen die Kommentare sehr kontrovers aus.

Als Beispiel sei jener der Basler Tageswoche erwähnt. Dabei überspannt der Journalist den Bogen, wenn er in Zusammenhang mit der Greenpeace-Aktion von „Gift für eine demokratische Gesellschaft“ spricht. Und die Lauterkeit der Bundesbehörden heiligt. Das Bundesamt für Gesundheit, dessen Aufgabe der Schutz der Bevölkerung bei Atomunfällen ist, blieb bis dato im Hintergrund. Offenbar scheut es die Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Greenpeace Fakes. Denn der könnte durchaus von genanntem Bundesamt stammen, wenn es denn eine ausgewogenere Darstellungsweise vorgezogen hätte. Stattdessen klärt eine angeheuerte Informationsstelle (eine private Wirtschaftsorganisation-Dienstleisterin) die Bevölkerung auf. Neutral, wie sie selber sagt. Kein Täuschungsmanöver? Keine Kontamination durch politische und wirtschaftsfreundliche Druckversuche im Hintergrund? Es ist nicht weg zu diskutieren, dass stillgelegte Reaktoren sicherer sind, als es Jodtabletten bei einem Unfall sein können.

Kampagnentechnisch stellte die Gegenkampagne von Greenpeace keine leichte Aufgabe dar. Unter Missachtung ziemlich vieler Kommunikationsregeln (nicht zielgruppengerichtet, keine frohe Botschaft, unter falschem Absender, in mausgrauem Beamtenduktus sowohl in Schrift und Bild) eine ansehnlich breite Diskussion zu entfachen, das ist schon eine kleine Kunst. Dass Inhalt und Form auch negative Reaktionen auslöst ist Schicksal der polarisierenden Organisation. Die breit und professionell eingesetzte Bandbreite der Mittel (Medienarbeit, Web, Social Media) führt deswegen eben nicht immer zu einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Inhalt.

Hingegen sind die vielen positiven Reaktionen – auch hier als Beispiel die Kommentare in der Tageswoche und die Heftigkeit der Debatte eben auch Ausdruck einer verfehlten Kampagnen- und Informationsarbeit des Bundes. In der Tat (und mit Recht) fühlten sich viele Empfänger der Jodtabletten schlecht oder fehlinformiert. Und Greenpeace traf diese wunde Stelle.

Auch die Kollegen von Feinheit haben sich in einem interessanten Blogbeitrag mit der Jodkampagne auseinandergesetzt.

* in Anlehnung an den früheren Beitrag Schlafpillen für alle: Eine Kampagne, die keine sein will